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Mangelnde Bildung ist ein Armutsrisiko: Sozialhilfe in Schweizer Städten im Jahr 2021

25. Oktober 2022 – Mehr als die Hälfte der erwachsenen Sozialhilfebeziehenden verfügen nicht über einen anerkannten Berufsabschluss. Mangelhafte Ausbildung ist ein wesentliches Armutsrisiko, wie eine Befragung bei 33 Städten zeigt. Bereits heute ermöglichen städtische Sozialdienste individuelle Bildungsmassnahmen für Sozialhilfebeziehende. Doch die Städte erkennen wesentliche Hürden, um nachhaltige Bildung für Sozialhilfebeziehende zu ermöglichen, so zum Beispiel Zugangsbeschränkungen bei Stipendien oder ausländerrechtliche Bestimmungen.

Die Berner Fachhochschule hat im Auftrag der Städteinitiative Sozialpolitik - eine Sektion des Schweizerischne Städteverbandes – 33 städtische Sozialdienste über Bildungsmassnahmen in der Sozialhilfe befragt. Alle Sozialdienste vereinbaren Bildungsziele, wenn ihre Klientinnen und Klienten Bildungsdefizite haben. Niederschwellige Bildungsmassnahmen wie zum Beispiel Sprachkurse werden sehr häufig ermöglicht. Auch die Berufsausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat hohe Priorität. Hingegen stellen die Sozialdienste hohe Hürden bei der beruflichen Grundbildung für Erwachsene fest. Hinderlich sind zum Beispiel Lücken im Stipendiensystem und dadurch fehlende Finanzierung, ausländerrechtliche Hürden, der Grundsatz der raschen Ablösung aus der Sozialhilfe und mangelnde Ressourcen in den Sozialdiensten. 


Bildungshürden abbauen 
«Wenn fehlende Bildung Armut verursacht, dann muss man dort ansetzen», fordert Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik und Stadtrat von Winterthur. «Menschen ohne Ausbildung ist ein anerkannter Abschluss zu ermöglichen.» Die Städteinitiative Sozialpolitik wird sich dafür einsetzen, dass die noch zahlreich vorhandenen Hürden abgebaut werden. Als vorbildhaft werden Projekte der Kantone Basel-Stadt («Enter») und Waadt («Formad») genannt, welche über 25-jährigen Personen mit der notwendigen Begleitung und Finanzierung einen Berufsabschluss ermöglichen. 


Zahl der Sozialhilfefälle in den Städten bleibt 2021 stabil 
In der jährlichen Analyse der Sozialhilfestatistik aus 14 Städten zeigt sich, dass die Zahl der Sozialhilfefälle 2021 gegenüber dem Vorjahr stabil geblieben ist. Verringert hat sich insbesondere die Zahl der Neuaufnahmen: Es gab rund 7 Prozent weniger neue Sozialhilfefälle als im Schnitt der drei Vorjahre. Auch die Sozialhilfequote ist in 11 von 14 Städten stabil geblieben oder gesunken. Die Sozialhilfequote misst das Verhältnis zwischen der Anzahl Sozialhilfebeziehenden und der Gesamtbevölkerung. Die Corona-Pandemie hat also bisher nicht zu einer Erhöhung des Sozialhilfebezugs geführt. Sowohl die Unterstützungsleistungen des Bundes wie auch die rasche Erholung des Arbeitsmarktes haben dazu beigetragen.

 

Städte sind wesentliche Akteure der Sozialhilfe 
Die Städte sind Seismografen für gesellschaftliche Veränderungen und entwickeln zukunftsfähige Lösungen. In den 14 untersuchten Städten lebt rund ein Viertel aller Sozialhilfebeziehenden der Schweiz. Die Städte und ihre Entwicklungen in der Sozialhilfe unterscheiden sich wesentlich untereinander, da das Armutsrisiko unter anderem abhängig ist von der Wirtschaftsstruktur, der Bevölkerungszusammensetzung und der Verfügbarkeit von der Sozialhilfe vorgelagerten Sozialleistungen, wie zum Beispiel Wohnhilfe, Stipendien oder Familienunterstützung.

 

Die Kennzahlen zur Sozialhilfe in Kürze

14 Städte: Im aktuellen Bericht «Sozialhilfe in Schweizer Städten – Kennzahlen 2021 im Vergleich», sind 14 Städte vertreten: Basel, Bern, Biel, Chur, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen, Schlieren, Uster, Wädenswil, Winterthur, Zug und Zürich. In den 14 Städten des Kennzahlenberichts lebt rund ein Viertel aller Sozialhilfebeziehenden der Schweiz. Der Bericht basiert auf Auswertungen der schweizerischen Sozialhilfestatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS).
Sozialhilfe bleibt stabil: Die Zahl der Sozialhilfefälle ist 2021 gegenüber dem Vorjahr stabil geblieben. Die Corona-Pandemie hat bisher nicht zu einer Erhöhung des Sozialhilfebezugs geführt. Sowohl die Unterstützungsleistungen des Bundes wie auch die rasche Erholung des Arbeitsmarktes haben dazu beigetragen.
Stabile oder sinkende Quoten: In 11 von 14 Städten sind die Sozialhilfequoten gleichgeblieben oder gesunken. In zwei (drei)* Städten sind die Sozialhilfequoten gestiegen. Die Sozialhilfequote misst das Verhältnis zwischen der Anzahl Sozialhilfebeziehenden und der Gesamtbevölkerung.
Deutlich weniger neue Fälle: In der Mehrheit der Städte hat sich die Zahl der Neuaufnahmen im Jahr 2021 verringert. Im Durchschnitt betrug die Reduktion 7.1% gegenüber dem Durchschnitt der drei Vorjahre.
Mangelnde Bildung ist ein Armutsrisiko: Mehr als die Hälfte der Sozialhilfebeziehenden (54.9 Prozent) verfügen nicht über einen anerkannten Berufsabschluss. Im Schweizer Durchschnitt sind es nur 12.6 Prozent.

Was Bildung von Sozialhilfebeziehenden hindert: In einer Umfrage bei 33 Städten werden genannt: Grundsatz der raschen Ablösung aus der Sozialhilfe (statt nachhaltiger Bildung), mangelnde personelle und finanzielle Ressourcen in den Sozialdiensten, Lücken im Stipendiensystem, ausländerrechtliche Bestimmungen, individuelle gesundheitliche Probleme.

 

*Die Daten 2021 von Lausanne sind aus technischen Gründen (neues EDV-System) mit Vorsicht zu interpretieren.
 
Die Städteinitiative Sozialpolitik ist eine Sektion des Schweizerischen Städteverbands und vertritt die sozialpolitischen Interessen von rund 60 Schweizer Städten aus allen Regionen. Sie setzt sich für ein kohärentes System der sozialen Sicherung und eine gute Zusammenarbeit von Städten, Bund und Kantonen ein.
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