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Energiepolitik: Risikoabsicherung für thermische Netze

21. März 2023 – In der Schweiz ist die Wärmeversorgung immer noch stark von fossilen Energieträgern geprägt. Thermische Netze können zu einer raschen Dekarbonisierung beitragen, denn sie erlauben die Integration von erneuerbarer Abwärme und Umweltwärme. Zur Beschleunigung der Entwicklung der Fernwärme sind aber adäquate Finanzierungsinstrumente unerlässlich, dazu gehört für den Städteverband auch ein «Fonds de roulement».

Véronique Bittner-Priez, Vize-Direktorin

 

Für die Wärmeversorgung verbraucht die Schweiz ganze 100 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Dies entspricht rund der Hälfte des gesamten Energieverbrauchs des Landes. Ein Grossteil der benötigten Wärme – Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme – wird noch fossil erzeugt und verursacht über ein Drittel aller in der Schweiz entstehenden Treibhausgasemissionen. Die Dekarbonisierung des Wärmebereichs stellt somit eine unabdingbare Voraussetzung für die Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele der Schweiz dar, insbesondere für die Reduktion der CO2-Emissionen auf Netto-Null bis 2050. Der Bund hat den Transformationsbedarf erkannt; in seiner «Wärmestrategie 2050» setzt er einerseits auf eine Erhöhung der Energieeffizienz und andererseits auf eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger.

 

Thermische Netze sind zentral für ein CO2-freies Wärmesystem

Der Neu- und Ausbau von Wärmeverbünden spielt in urbanen Siedlungsgebieten für die Dekarbonisierung des Wärmesektors eine entscheidende Rolle. Solche Netze ermöglichen die Nutzung nicht nur der standortgebundenen Abwärme, beispielsweise aus Kehrichtverbrennungs- und Abwasserreinigungsanlagen oder aus der Industrie, sondern auch des Wärmepotenzials in Seen, Flüssen und Böden. Damit bildet die Fernwärme einen wichtigen Pfeiler der CO2- freien Wärmeversorgung. Darüber hinaus ist der Neu- und Ausbau thermischer Netze in dicht bebauten urbanen Räumen aus Platz-, Lärm- und/oder Ortsbildgründen oftdie sinnvollste Alternative zu fossilen Heizsystemen. Städte und urbane Gemeinden weisen in der Regel auch eine genügend hohe Wärmenachfrage, damit sich der Bau und Betrieb von Fern- und Nahwärmenetzen rentieren kann.

 

Die Schweizer Städte treiben den Neu- und Ausbau thermischer Netze aktiv voran. Nicht nur die grossen urbanen Zentren, sondern auch viele kleinere Städte und Agglomerationsgemeinden haben bereits derartige Netze in Betrieb. Heute verfügt die Schweiz über rund 1’000 Fern- und Nahwärmenetze. Das Potenzial ist aber noch längst nicht ausgeschöpft und sollte aus energie- und klimapolitischen Gründen rasch erschlossen werden. Die Energieperspektiven 2050+ rechnen mit rund einer Verdoppelung des Fern- und Nahwärmeverbrauchs gegenüber heute. Dementsprechend gross ist der Wille zur Weiterentwicklung der Fernwärme: Die geplanten Investitionen der Städte bzw. der Stadtwerke belaufen sich auf insgesamt mehrere Milliarden Franken.

 

Potential erschliessen, richtige Förderinstrumente schaffen

Doch die Projektierung und die Realisierung von Wärmeverbünden sind höchst komplex. Sie berühren eine Vielzahl verschiedener Rechtsgebiete: das Raumplanungs-, Bau, Umwelt-, Beschaffungs- und Wettbewerbsrecht sowie einige mehr. Dabei überschneiden sich die Zuständigkeiten von Bund, Kantonen und Gemeinden. Weitersind für die Entwicklung der Fernwärme räumliche Energieplanungen auf kommunaler Ebene unabdingbar. Im Bewusstsein der grossen Herausforderungen, die mit dem Neu- und Ausbau thermischer Netze verbunden sind, haben Bund, Kantone, Städte und Gemeinden im August 2022 die Charta zur Beschleunigung des Ausbaus thermischer Netze unterschrieben. Mit der Charta wollen die drei Staatsebenen ihre Zusammenarbeit intensivieren und gemeinsam Lösungsansätze und Hilfsmittel für die Überwindung der bestehenden Hemmnisse erarbeiten.

 

Städteverband fordert «Fonds de Roulement» für den Ausbau der thermischen Netze

Der Neu- resp. Ausbau thermischer Netze ist nicht nur komplex, sondern auch mit grossen finanziellen Risiken verbunden. Grund dafür sind die hohen Anfangsinvestitionen, die langen Amortisationszeiten sowie die Unsicherheiten über die Anschlussdichte und die Verbrauchsentwicklung. Zwar stehen Fördermittel aus dem Gebäudeprogramm des Bundes und der Kantone, aus den Energiefonds der Städte sowie aus dem Kompensationsprogramm der Stiftung «Klimaschutz und CO2-Kompensation (KliK)» zur Verfügung. Diese Förderinstrumente sind jedoch nicht durchgehend koordiniert und decken auch keine finanziellen Risiken ab. Vor diesem Hintergrund begrüsst der Städteverband die im Rahmen des Klimaschutzgesetzes und des CO2-Gesetzes vorgeschlagene Risikoabsicherung von Investitionsrisiken in öffentlichen Infrastrukturen bzw. in thermischen Netzen. Diese beiden neuen Instrumente sind zwar willkommene Massnahmen, sie müssen aber weiterentwickelt werden. In Analogie zur Wohnbauförderung soll ein «Fonds de Roulement» eingerichtet werden, um das notwendige Risikokapital bereitstellen zu können. Über einen solchen Fonds, der vom Bund zu verwalten ist, sollen zinsgünstige Darlehen an Städte, Gemeinden und andere Akteure vergeben werden, die für mit Risiken behafteten Investitionen genutzt werden. Dadurch könnte das Investitionsrisiko für den Neu- oder Ausbau thermischer Netze deutlich gemindert werden.

 

Der Städteverband wird sich auch zukünftig tatkräftig dafür engagieren, dass die Hemmnisse zum Neu- und Ausbau thermischer Netze gesenkt werden und pragmatische Lösungen für ihre Realisierung gefunden werden.

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