«Es ist wichtig, die Wohnungsspekulation einzudämmen»
Wie sieht die Wohnungslage in Prilly aus?
Die Lage ist sehr angespannt, wie dies auch in der gesamten Agglomeration der Fall ist. Im Juni 2022 betrug die Leerwohnungsquote in Prilly 0.88%, was einer klaren Wohnungsmangellage gleichkommt.
In den letzten zwanzig Jahren sind die Mieten in Prilly um etwa vierzig bis fünfzig Prozent gestiegen. Welche Auswirkungen hat dies für die Gemeinde?
Wir stellen eine Gentrifizierung der Gemeinde fest. Bei Neubauten werden vorrangig kleinere Wohnungen erstellt, die weniger für Familien bestimmt sind, was auch weniger soziale Beziehungen zur Folge hat. Wir befürchten, dass Prilly zu einer Schlafstadt wird.
Verfügen Sie als Gemeinde über Informationen zum Boden- und Immobilieneigentum?
Gemäss LPPPL (loi sur la préservation et la promotion du parc locatif; Gesetz über die Erhaltung und Förderung des Mietwohnungsbestandes) erhalten wir einen Einblick in Eigentumsübertragungen von Grundstücken. Leider haben wir nicht die geeigneten Instrumente zur Hand, um die Entwicklung der Wohnungstypologien besser analysieren zu können.
Erschwingliche Mietwohnungen sind selten. Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Hebel, den Sie als Stadt ansetzen können, um den Bau von preisgünstigen Wohnungen zu fördern?
Wir verfügen über zwei Haupthebel. Der erste besteht aus unserem allgemeinen Nutzungsplan, der für jeden Neubau einen Mindestanteil an gemeinnützigem Wohnraum vorschreibt. Dieser Anteil liegt bei 10%, wobei gewisse Anreize bestehen, ihn auf 15% zu erhöhen. Handelt es sich um stärker lokalisierte Nutzungspläne, so versuchen wir, diesen Anteil je nach Quartier auf eine höhere Stufe anzuheben. Der zweite Hebel ist die Nutzung des Vorkaufsrecht, das im erwähnten Gesetz verankert ist. Er bietet der Gemeinde die Möglichkeit, bei einer Immobilientransaktion die Liegenschaft selber zu erstehen. Die Gemeinde ist in einem solchen Fall verpflichtet, die Vertragselemente unverändert zu übernehmen, was manchmal weder einfach noch möglich ist. Daher ist dieser Hebel komplizierter zu betätigen.
«Wir befürchten, dass Prilly zu einer Schlafstadt wird.»
Seit 2018 verfügen die Waadtländer Gemeinden über ein Vorkaufsrecht. Wie funktioniert das?
Konkret heisst dies, dass der zuständige Notar bei einer Immobilientransaktion eine Kopie des Kaufvertrags der Gemeinde zustellt. Anschliessend verfügt die Gemeinde über eine Frist von 40 Tagen, um zu entscheiden, ob sie ihr Vorkaufsrecht zu den im Vertrag festgesetzten Bedingungen nutzen will. Falls ja, tritt sie an die Stelle des Käufers und ist dann verpflichtet, im betreffenden Gebäude gemeinnützige Wohnungen anzubieten. Es gibt drei Arten solcher Wohnungen: bezahlbare Wohnungen mit Mietobergrenzen, betreute Wohnungen, die im Prinzip für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen bestimmt sind, oder Wohnungen für Studierende.
Die Stadt Prilly ist dabei, mittels ihres Vorkaufsrechts ein grosses Grundstück zu erstehen. Wie geht das konkret vor sich? Was sind die Hürden?
Ja richtig, ein 20'000 m2 grosses, vollkommen unbebautes Grundstück im Stadtzentrum war Gegenstand eines Vorkaufes. Ziel war es, das Grundstück anschliessend an eine Genossenschaft weiterzuverkaufen, die darauf gemeinnützige Wohnungen erstellen sollte. Denn die Gemeinde verfügt weder über die Mittel noch hat sie die Aufgabe inne, ein Bauvorhaben von über 200 Wohnungen zu meistern. Aufgrund der sehr kurzen Frist, der politischen Spannungen und dem Druck der Immobilienbranche entstanden beträchtliche Hürden. Darüber hinaus sind derzeit drei Klagen hängig, da das Gesetz neu ist und in mehreren Bestimmungen Unklarheiten bestehen. Es obliegt also dem Gericht, einen Entscheid zu fällen. Aber wir sind zuversichtlich, dass das bisherige Vorgehen bekräftigt wird und sich andere Gemeinden davon inspirieren lassen können.
Welches ist Ihr Hauptanliegen gegenüber der Wohnungspolitik des Bundes?
Es ist wichtig, die Wohnungsspekulation einzudämmen. Politische und finanzielle Anreize zur Gründung von Genossenschaften, die Pflicht, einen grossen Anteil an gemeinnützigen Wohnungen zu bauen sowie Erleichterungen für öffentliche Körperschaften beim Kauf von Grundstücken sind Massnahmen, die allen ermöglichen sollten, das existenzielle Grundbedürfnis des Wohnens zu erfüllen.