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Tempo 30 als Regel, Tempo 50 als Ausnahme: Für mehr Lebensqualität in den Städten

25. Mai 2023 – Heute behindert Strassenlärm die Stadtentwicklung: Zunehmender Verkehr aufgrund der Verdichtung der städtischen Umgebungen führt zu vermehrtem Lärm. Den Lärm an der Quelle zu bekämpfen, indem die Geschwindigkeit gesenkt wird, ist die kostengünstigste, schnellste und wirkungsvollste Massnahme, um sich den Grenzwerten für Lärmbelastung anzunähern. Tempo 30 bietet aber noch weitere Vorteile: Mehr Sicherheit, Platzgewinn sowie ein harmonischeres Miteinander zwischen den verschiedenen Fortbewegungsarten. Ausgehend von dieser Feststellung fordert die Städtekonferenz Mobilität (SKM) einen Paradigmenwechsel in Sachen Geschwindigkeit, der Tempo 30 zur Norm und Tempo 50 zur Ausnahme in städtischen Gebieten macht.

Nathanaël Bruchez, Leiter Verkehrspolitik

 

Wenn wir Landschaften, Grünflächen und Kulturland erhalten wollen, wird die Siedlungsentwicklung nur in bereits verstädterten Regionen voranschreiten können. Dieser Vorsatz wurde 2013 vom Schweizer Volk mit der Annahme der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) bestätigt. Vor diesem Hintergrund erweist sich eine bessere Nutzung und Verteilung des verfügbaren Raumes als unerlässlich.

 

Tempo 30 steht in perfektem Einklang mit dieser Logik. Seine rasch fortschreitende Einführung in europäischen Ländern, in Skandinavien, Frankreich, Österreich, Spanien und auch in den Benelux-Staaten lässt keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass es sich um einen starken Trend handelt, der auch vor unseren Landesgrenzen nicht Halt machen wird. Um diese Entwicklung zu begleiten sowie den Kosten- und Verwaltungsaufwand, der die aktuelle Situation kennzeichnet, zu reduzieren, müssen die Hindernisse für Tempo 30 beseitigt werden.

 

Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsachsen

Während seit dem 1. Januar 2023 die Einrichtung einer Tempo-30-Zone in den Quartieren einfacher geworden ist, bleibt die Senkung der Geschwindigkeit auf Hauptverkehrsachsen immer noch umständlich, selbst wenn die Vorteile einer solchen Massnahme offensichtlich sind. Zudem ist die vom Bundesrat vorgenommene Unterscheidung zwischen «nicht verkehrsorientierten Strassen» in Quartieren und «verkehrsorientierten Strassen» in einem anderen Umfeld nicht gerechtfertigt. Denn manche «verkehrsorientierten Strassen» liegen dicht bei Stadtzentren, Schulen, Krippen, Heimen oder auch bei Wohngebieten. Das prioritäre Ausrichten von «verkehrsorientierten Strassen» auf die Bedürfnisse des Motorfahrzeugverkehrs läuft somit den vielfältigen Anforderungen, welche Stadtstrassen zu erfüllen haben, zuwider.

 

Um den öffentlichen Raum aufzuwerten und das Stadtleben angenehmer zu gestalten, ist die Einführung von Tempo 30 auf Hauptachsen eine durchaus sinnvolle Massnahme. Einerseits kann mit der Senkung der Höchstgeschwindigkeit die Fahrbahnbreite verringert und dadurch wertvoller Raum gewonnen werden, der für Fussgängerinnen, Velofahrer, öffentliche Verkehrsmittel sowie für die Schaffung von Grünflächen zur Verfügung gestellt werden kann. Andererseits reduziert die Senkung von Tempo 50 auf Tempo 30 den Lärm an der Quelle, was es ermöglicht, sich den in der Lärmschutzverordnung (LSV) vorgeschriebenen Grenzwerten der Lärmemissionen anzunähern. Ausserdem reduziert Tempo 30 die Reaktionszeit und den Bremsweg erheblich und vermeidet etwa einen Drittel der schweren Unfälle. Auch die Koexistenz zwischen den verschiedenen Benutzerinnen und Benutzer des öffentlichen Raumes wird verbessert: Die Fussgängerquerungen werden sicherer, und der Veloverkehr gewinnt dank des friedlicheren Miteinanders mit dem motorisierten Individualverkehr an Attraktivität. Schliesslich führt Tempo 30 dazu, den Verkehr auf Hauptstrassen flüssiger zu gestalten, die Anzahl sowie das Ausmass der Beschleunigungs- und Bremsmanöver der AutofahrerInnen zu reduzieren und die Einmündung via Seitenstrassen zu erleichtern.

 

Dialog und Lösungen für den öffentlichen Verkehr

Der ÖV stellt mit dem Fuss- und Veloverkehr einen der drei Pfeiler einer nachhaltigen Mobilität im städtischen Bereich dar. Zusammen genommen bilden sie eine «Umweltallianz». Die SKM engagiert sich dafür, ein attraktives und hochwertiges ÖV-Angebot aufrechtzuerhalten und auszubauen, da dieser Verkehrsträger nur wenig Raum beansprucht.

 

Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist von der Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 km/h auf Hauptverkehrsachsen ebenfalls betroffen. Dadurch wir die Netzhierarchie hingegen keineswegs gefährdet, da die betroffenen Hauptachsen ihre Verkehrskanalisierungsfunktion beibehalten.

 

Allfällige Zeitverluste für den ÖV können dank gezielten Massnahmen abgefedert werden. Zum einen kann der Vorrang des ÖV gegenüber dem MIV systematisch erhöht werden: Vorrang bei Lichtsignalen, eigene Trassen, Aufhebung von Kreuzungen, Haltestellen auf der Fahrbahn, Reduktion des MIV dank Verkehrslenkung und -management usw. Zum andern können die Städte auf jegliche verkehrsberuhigenden Massnahmen verzichten, die den ÖV auf den auf 30 km/h beschränkten Hauptachsen behindern. Ausserdem ist die Höchstgeschwindigkeit je nach Tageszeit variierbar, und Tempo 30 kann gezielt auf bestimmten Streckenabschnitten eingeführt werden. Zu beachten: Auch wenn Tempo 30 zur Norm wird, bleibt die Möglichkeit erhalten, auf bestimmten Achsen ausnahmsweise Tempo 50 zuzulassen. Und schliesslich, sollte der Übergang zu Tempo 30 zusätzliche Kosten für den ÖV verursachen, was von Fall zu Fall durch die Städte zu prüfen wäre, muss im Rahmen eines Dialogs mit den diversen betroffenen Akteuren nach einer Finanzierungslösung gesucht werden.

 

«Tempo-30-Zone» oder «Tempo-30-Strecke» ?

 

Eine Tempo-30-Zone hebt jede Hierarchie zwischen den Strassen auf. Es gilt Rechtsvortritt und sie erlaubt die Einrichtung von Fussgängerstreifen nur unter bestimmten Bedingungen (Nähe einer Schule oder eines Altersheims). Sie wird im Sinne eines Miteinanders so gestaltet, dass sie für den Durchgangsverkehr unattraktiv wird.

 

Eine Tempo-30-Strecke behält ihren übergeordneten Charakter. Sie bleibt gegenüber Nebenstrassen prioritär, erlaubt die Einrichtung von Fussgängerstreifen und muss nicht zwingend anders gestaltet werden als eine Strecke mit Höchstgeschwindigkeit 50 km/h. In den angrenzenden Seitenstrassen können hingegen Anpassungen vorgenommen werden, um Bedenken hinsichtlich des Ausweichverkehrs auszuräumen. Seit dem 1. Januar 2023 darf der Abschnitt einer «auf den allgemeinen Verkehr orientierten Strasse», deren Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt ist, in eine Tempo-30-Zone einbezogen werden.

 

 

 

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