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Zukunftsfähige öffentliche Räume: Wie Bern sie plant und gestaltet

27. Juni 2023 – Die vielfältigen öffentlichen Räume sind ein wichtiger Faktor für die hohe Lebensqualität in der Bundesstadt. Die Anforderungen an den öffentlichen Raum sind hoch – und angesichts des Klimanotstands steigen sie weiter an. Ziel ist es, öffentliche Räume klimafit und resilient zu gestalten. Wie macht das Bern?

Nadine Heller, Leiterin Bereich Gestaltung & Nutzung im Tiefbauamt der Stadt Bern, Mitglied der Kommission «ZORA» des Städteverbandes.  
 

In der Stadt Bern basieren alle Planungen des öffentlichen Raums auf einer strategischen Grundlage: Sie heisst «Bern baut» und wurde 2020 als verbindliches Arbeitsinstrument vom Gemeinderat verabschiedet. «Bern baut» sieht für die Weiterentwicklung des öffentlichen Raums eine kooperative, vernetzte und interdisziplinäre Zusammenarbeit vor – mit Einbezug von Organisationen und der Bevölkerung.  

In diesem strategischen Arbeitsinstrument wurde angesichts des Klimanotstands das Prinzip der «Schwammstadt» für das Strassenraumlayout entwickelt und für verbindlich erklärt. Regenwasserrückhaltung, Verdunstungskühlung, Schaffung von Versickerungsflächen, Anreicherung von Grundwasser und weitere Faktoren der Schwammstadt sollen zukünftig bei allen Planungen konsequent berücksichtigt werden.  
 

«Man muss sich vom rein ästhetischen Diskurs der Stadtplanung lösen.» 


Dieses Umdenken im Planen von Stadtraum ist unabdingbar. Städte erhitzen sich immer stärker und kühlen während Hochsommerperioden kaum mehr ab. Auch in Bern zeichnet sich öffentlicher Raum oftmals noch durch viel versiegelte Fläche aus. Und teilweise gilt eine vegetationsarme Gestaltung immer noch als besonders urban. Um das zu überwinden, muss man sich vom rein ästhetischen Diskurs der Stadtplanung lösen und das Prinzip der Schwammstadt in den Vordergrund stellen. 

Lange Projektlaufdauer als Hindernis? 
In Bern ist das strategische Ziel – die Schwammstadt – also klar. Aber wie umsetzen? Städtische Bauvorhaben können sich je nach Grösse und Komplexität oftmals über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, hinziehen. Zudem gibt es viele öffentliche Räume, wo sich aktuell und in naher Zukunft keine Bauvorvorhaben aufdrängen. So viel Zeit bleibt jedoch nicht, um Bern klimafit werden zu lassen und der Bevölkerung auch in Hitzesommern mehr Lebensqualität zu schaffen. 

Mehrfachnutzungen – die sogenannte Multicodierung – des öffentlichen Raums sind eine innovative Antwort darauf. Wir müssen die grüne, blaue und graue Infrastruktur von Anfang an vernetzt denken. Und die zweite Antwort: Wir brauchen Mut zur Kulturveränderung in der Planung und Flexibilität in den Prozessen. 

XS-Massnahmen und  S-Projekte wegweisend 
Um etwas gegen die stetig steigende Erhitzung, den erhöhten Wasserbedarf und schlussendlich schliesslich etwas für die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung zu tun, setzt Bern auf einen unbürokratischen Weg: den Ansatz der «Lernenden Planungskultur». Kleine S-Projekte und kleinste XS-Massnahmen ergänzen mehrjährige Grossprojekte, die anhand der sechs SIA-Phasen geplant werden. Oder sie kommen dann zum Zug, wenn an Orten ohne Sanierungsbedarf klimabedingt Bedürfnisse oder Nutzungskonflikte entstehen. S-Projekte und XS-Massnahmen können mit geringeren zeitlichen und finanziellen Mitteln und mit minimalem baulichem Umfang umgesetzt werden. 

Aufwertungen mit kleinräumigen Entsiegelungen, Begrünungen oder Baumpflanzungen, Trinkwassserspender, Sitz- und Spielmöglichkeiten: Diese und andere Kleinprojekte erlauben es zudem, die Auswirkungen von Veränderungsmassnahmen im öffentlichen Raum in der Praxis zu erproben. So bleibt es möglich, Projekte nach neuen Anforderungen anzupassen.  

 

Umsetzung: zentrale Anlaufstelle und aktive Teilhabe der Bevölkerungen 
Die Umsetzung der XS-Massnahmen erfolgt in Bern durch das Kompetenzzentrum öffentlicher Raum (KORA). Das KORA ist die erste Anlaufstelle für die Bevölkerung zur Umsetzung und Koordination von einfachen, rasch realisierbaren Massnahmen. Durch KORA ist der Austausch zwischen Bevölkerung und Verwaltung erheblich einfacher geworden.

 

«Unkompliziert und niederschwelliger Austausch zwischen Bevölkerung und Verwaltung.» 

 

Unkompliziert und niederschwellig kann auf konkrete Herausforderungen reagiert werden: softe Angebote, welche die Teilhabe, Aneignung und das «Miteinander» stärken, sodass individuelle kleinteilige Lösungen gemeinsam im Dialog mit der Bevölkerung entwickelt werden können. 

Vernetzung und Zusammenarbeit auf allen Ebenen 
Es beschäftigen sich diverse Stellen innerhalb der Stadt Bern mit dem öffentlichen Raum. Bei Stadtgrün Bern wurde eine Fachgruppe für Klimaanpassungsmassnahmen geschaffen, zur Koordination der Klimaanpassungsmassnahmen wurde der ämterübergreifende Fachbereich Stadtklima im Tiefbauamt eingesetzt. Aber auch jenseits der Stadtgrenze werden die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch gefördert: beispielsweise in der Kommission «ZORA» des Städteverbands.  

Dieser Austausch ist essenziell: Alle Städte sind mit dem Klimawandel konfrontiert – alle haben ein Interesse an den zielführendsten Lösungen, um den öffentlichen Raum klimafit und resilient weiterzuentwickeln. Vieles ist bekannt. Es gibt aber Bereiche, in denen noch viele Erfahrungen gesammelt werden müssen. Eine Fehlerkultur ist dabei unerlässlich. Was es braucht, sind Menschen in unterschiedlichen Disziplinen, die den Mut haben, neue Themen auszuprobieren und Verantwortung übernehmen. Umso besser, wenn wir Best Practices und wichtige Learnings miteinander teilen und gemeinsam dazulernen. 
 

Grün statt grau: 900 m2 des Rosalia-Wenger-Platzes wurden entsiegelt und mit einem sogenannten «Microforest» und einem Trinkwasserspender klimafit aufgewertet.

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