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Das bewegt die Städte – Notschlafstellen

2. Mai 2024 – Obdachlosigkeit nimmt trotz der sozialen Auffangnetze in Schweizer Städten zu. Notschlafstellen werden von verschiedenen Personengruppen genutzt und von unterschiedlichen Trägern betrieben. Öffnungszeiten, Zutrittshürden, Anschlusslösungen und explizite Angebote für vulnerable Personen unterscheiden sich stark. Der Betrieb gestaltet sich aufgrund von Suchterkrankungen, psychischen oder physischen Problemen oftmals schwierig. Das bewegt die Städte.

Seit 2021 steigt der Bedarf an Betten in Notschlafstellen kontinuierlich an. Eine Studie der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW aus dem Jahr 2022 schätzt die Anzahl obdachloser Personen in der Schweiz auf 2200, wovon 18% zwischen 18 und 25 Jahre alt sind. Die Herausforderungen für Notschlafstellen steigen und viele kommen zunehmend unter Druck. Einige sind jede Nacht voll und weisen Personen ab, andere geraten in finanzielle Schwierigkeiten oder haben Mühe mit der Suche nach Personal. In Montreux wurde im Dezember eine Notunterkunft geschlossen und in Genf weist die Hotline, welche 336 Betten koordiniert, jeden Tag Personen ab. (Tribune de Genève, 5.2.2024; Riviera Chablais Hebdo, 7.2.; Blick 3.3.; swissinfo 17.3.)

 

Fragen zur Zuständigkeit, zur Finanzierung und zum Personal

Laut dem Gesetz fallen Armutsgefährdete und -betroffene in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden und Städte. Aufgrund möglicher Engpässe in Notschlafstellen gibt es für auswärtige Personen daher höhere Zutrittshürden und weniger Anschlusslösungen. Gemeinden ohne Notschlafstellen geraten zunehmend in Bedrängnis und müssten sich für eine Bereitstellung zusammentun. (BZ Basel, 11.3.)

 

Die Finanzierung von Notschlafstellen ist unterschiedlich geregelt. In Lausanne wird ein Grossteil der Kosten für Notunterkünfte vom Kanton via Lastenausgleich getragen. In Freiburg wird zurzeit der nächste Leistungsvertrag zwischen der Kantonsregierung und der Notschlafstelle verhandelt und dabei thematisiert, wie stark das Defizit aufgrund gestiegener Personal- und Haushaltskosten ausgeglichen wird. In Olten wird eine Notunterkunft eröffnet, deren Betrieb durch Spenden aus einem Crowdfunding für ein Jahr gesichert ist. Werden die Betten gebraucht und der Quartierfrieden nicht gestört, erhält der Verein in zwei Jahren eine definitive Bewilligung der Stadt Olten. Die Finanzierung eines dreijährigen Betriebs einer Notschlafstelle für Jugendliche in Bern stammt von kirchlichen Institutionen, zahlreichen Stiftungen und privaten Spenden. Für einen Weiterbetrieb nach Auslaufen des Pilotprojekts wollen die Betreiberinnen und Betreiber einen Leistungsvertrag mit der Stadt abschliessen und im Anschluss beim Kanton einen Antrag um Mitfinanzierung via Lastenausgleich stellen. (24 heures, 16.12.2023; Oltner Tagblatt, 8.2., 11.3.2024; Der Bund 20.2.; Freiburger Nachrichten 27.4.)

 

Notschlafstellen öffnen wegen eisiger Temperaturen

Manche Städte richten aufgrund eisiger Temperaturen im Winter vorübergehend Notschlafstellen ein. In Genf und Lausanne wurde beispielsweise letzten Winter einmal mehr die Kältestrategie umgesetzt. Diese tritt in Kraft, damit bei mehrtägigen eisigen Temperatur- und Witterungsbedingungen niemand draussen schläft. Dafür wurden zusätzliche Betten bereitgestellt, Hürden für den Einlass gesenkt und Bezugszeiten erweitert. Beide Städte konnten im Zuge der Kältestrategie 2023 an insgesamt 23 Tagen zusammen 130 zusätzliche Betten schaffen. Die Städte Morges und Vevey konnten im Januar in Zivilschutzanlagen Betten zur Verfügung stellen. (Tribune de Genève 9.1.2024; 24 heures, 9.1., 13.1.; Journal de Morges 12.1.; Riviera Chablais Hebdo 7.2.)

 

Wohnungslose Arbeitnehmende suchen vermehrt Notschlafstellen auf

Lausanne zählte 2023 ungefähr 150 Übernachtungen in Notschlafstellen von Personen in einem Anstellungsverhältnis. Die Stadt hat 2023 ein Pilotprojekt lanciert, welches für diese Personengruppe eine eigene Übergangs-Notunterkunft beinhaltet, damit sie ihre Wohnsituation stabilisieren können und plant einen Ausbau des Angebots um 20 bis 40 Plätze. (24 heures, 5.1., 29.2.)

 

Von Sozialbetreuung bis zu einer geeigneten Anschlusslösung

Manche Städte haben Notschlafstellen explizit für Jugendliche oder für Frauen, wie beispielsweise eine Institution in Basel mit 20 Betten für Frauen. Bern und Zürich zählten 2022 in ihren Notschlafstellen für Jugendliche ab 14 bzw. 16 Jahren zusammen 211 Personen. Die Notschlafstellen sind eine Zwischenlösung, in der Betroffene einen speziell geschützten Rahmen erhalten, in dem sie Obdach, Schutz, Sicherheit und eine Chance erfahren, ihre gesundheitliche und gesellschaftliche Situation zu verbessern. Dies umfasst Beherbergung, Verpflegung, Beratung sowie Unterstützung und Begleitung auf der Suche nach einer geeigneten Anschlusslösung, beispielsweise in einer betreuten Wohngruppe. (Der Bund, 20.2.; Blick, 3.3.; BZ Basel, 4.4.)

 

In La Chaux-de-Fonds und Neuchâtel gibt es keine Notschlafstellen, die nur nachts oder nur im Winter geöffnet sind. Personen, die Sozialhilfe erhalten und eine Notunterkunft aufsuchen, werden betreut, bis sie eine Anschlusslösung finden. Anfragen von Rentnern, Rentnerinnen oder anderen Personen, welche sich an die Notunterkunft wenden, werden an geeignete Institutionen weitergeleitet. (Arcinfo, 13.1., 28.2.)

 

Das Parlament der Stadt Lausanne hat im März eine Langzeitstrategie verabschiedet und will ein Angebot für Jugendliche, Frauen und vulnerable Personengruppen schaffen. Künftig wird die Stadt keine zusätzliche Notunterkunft im Winter mehr bereitstellen, sondern dauerhaft 235 Betten einrichten. Zudem ist es ihr Ziel, mehr Betreuungsangebote im Hinblick auf eine Anschlusslösung für Frauen, Jugendliche, wohnungslose Arbeitnehmende, Suchterkrankte und physisch oder psychisch angeschlagene Personen zu schaffen. Der Kanton Waadt hat analog zur Stadt Lausanne vor, das Angebot an Notschlafstellen in Nyon, Yverdon-les-Bains und Vevey ganzjährlich zu gestalten sowie Betreuungsangebote auszubauen und ein explizites Angebot für vulnerable Personengruppen zu schaffen. Auch die Regierung der Stadt Bern hat eine Strategie verabschiedet und auf den letzten Winter hin Plätze in betreuten und begleiteten Wohnungen erhöht. Zudem sind mehr saisonale Plätze in Notschlafstellen vorgesehen und eine explizite Notschlafstelle für Frauen geplant. (24 heures 16.12.2023, 22.3.2024; Der Bund 20.2.)

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