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Smarte Städte: Ein attraktiver ÖV ist Teil der Lösung

6. Mai 2024 – In Schweizer Städten ist der öffentliche Verkehr gut etabliert. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen urbanen Mobilität besteht jedoch gerade im Freizeitverkehr weiter Handlungsbedarf. Es gilt, die Attraktivität des Angebots im öV weiter zu steigern und dessen Anteil am Gesamtverkehr mit gezielten Massnahmen konsequent zu fördern.

Laurent Roux, seit 2021 CEO der Verkehrsbetriebe Luzern AG vbl. 

Bernhard Adamek, Vizedirektor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) und leitet dort die Abteilung ÖV.

 

Der öffentliche Verkehr leistet einen wichtigen Beitrag an die Umsetzung der Klima- und Energiestrategie der Schweiz. Er ist weitgehend frei von CO2-Emissionen und im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr (MIV) äusserst energieeffizient und platzsparend. Folglich ist die Steigerung des Anteils des öV am Gesamtverkehr auch politisch erwünscht und gerade in den Städten zentraler Bestandteil der Mobilitätsplanungen. 
 

«Ein höherer Anteil des ÖV am Gesamtverkehr ist politisch erwünscht.»  


Im Vergleich zum benachbarten Ausland verzeichnet der schweizerische öV bereits jetzt einen hohen Anteil am Gesamtverkehr. Im so genannten Modalsplit stagniert dieser Anteil allerdings seit 2005. Ein Hauptgrund dafür – das zeigte etwa eine durch den Informationsdienst des öffentlichen Verkehrs LITRA erarbeitete Studie von 2019 – liegt im Freizeitbereich. Der öV weist zwar für Arbeitswege sowie bei Menschen, die zu ihrer Ausbildungsstätte unterwegs sind, gerade unter der Woche einen hohen Anteil auf. An Wochenenden bevorzugen jedoch viele Schweizerinnen und Schweizer weiterhin das Auto – und so macht der MIV an diesen Tagen mehr als 70 Prozent der zurückgelegten Kilometer aus.  

Jugend- und Freizeitangebote: Erwartungen übertroffen 
Mit Blick auf das grosse Potenzial im Freizeitverkehr hat die öV-Branche in den letzten Jahren diesen Bereich besonders in den Fokus gerückt. Mit der Flexibilisierung des Angebots – wie etwa mit Direktverbindungen in touristische Regionen an Wochenenden – richtet sich der öV nachfrageorientierter aus. Die Lancierung von neuen Jugendsortimenten im Freizeitverkehr hat zudem sämtliche Erwartungen übertroffen. Dazu gehören das GA-Night, das täglich ab 19 Uhr bis Betriebsschluss für 99 Franken pro Jahr die freie Nutzung des öV ermöglicht, oder die «Friends-Tageskarten» sowie preislich attraktive Billette für Kleingruppen von Jugendlichen bis 25 Jahre. 

Der Erfolg gibt der Branche recht: Im Jahr 2023 haben alle Segmente des öV massiv zugelegt. Für die Eisenbahnen resultierte sogar ein absolutes Rekordjahr. Dieses Wachstum ist insbesondere auf den Freizeitverkehr zurückzuführen, während sich der Pendelverkehr durch die mit der Pandemie befeuerte Entwicklung hin zu neuen Arbeitsformen zaghafter entwickelt.  

Smarte Städte priorisieren den ÖV  
In den Schweizer Städten und Agglomerationen ist der öV heute bereits sehr gut ausgebaut. Dennoch können die Angebote gezielt weiterentwickelt werden – gerade im Bereich des Freizeitverkehrs. Die konsequente Integration der An- und Rückreise mit dem öV ins Veranstaltungsticket bietet eine gute Möglichkeit, die Schwelle zur Nutzung des öV zu senken.  

Vorgemacht hat es etwa der Kanton St. Gallen: Seit der Saison 23/24 können Besucherinnen und Besucher von Konzert und Theater St. Gallen mit dem Kauf eines Theater- oder Konzerttickets an besagtem Tag kostenfrei im ganzen Tarifverbund «Ostwind» reisen. Ähnliche Modelle, die eine Anreise im öV bei Veranstaltungen attraktiver machen wollen, gibt es auch in anderen Schweizer Städten.  

Auch in Städten gilt: Entscheidend für die Verkehrsmittelwahl ist die Attraktivität des Angebots. Vor dem Hintergrund konkurrierender Nutzungsinteressen im begrenzten urbanen Raum müssen Transportunternehmen und städtische Akteure deshalb sehr eng und frühzeitig gemeinsame Massnahmen für einen leistungsfähigen, pünktlichen und verlässlichen öV entwickeln.  
 

«Auch in Städten gilt: Entscheidend für die Verkehrsmittelwahl ist die Attraktivität des Angebots.» 


Dazu gehört auch eine Strassenverkehrsinfrastruktur, die den öffentlichen Verkehr priorisiert. Gerade hier bestehen jedoch weiterhin grosse Herausforderungen. Aktuell zeigt sich das am Beispiel Luzern: Sinnvolle und nachgewiesen wirksame Massnahmen wie Busbevorzugungsspuren können nicht auf städtischer, sondern nur auf kantonaler Ebene angegangen werden. Während entsprechende Investitionen Teil der Mobilitätsstrategie der Stadt Luzern sind, stockt deren Umsetzung aus verschiedenen Gründen auf kantonaler Ebene.    

Städte, in denen der öV im Stau steht oder anderweitig nicht attraktiv ist, haben ein Problem. Hier gilt es anzusetzen: Die vielleicht vielversprechendste Massnahme, um den MIV-Anteil (auch) am Freizeitverkehr zu reduzieren, bleibt die restriktive Parkplatzbewirtschaftung. Städte, die die nachhaltige Mobilität fördern wollen, schaffen gute Rahmenbedingungen für den öV – und reduzieren beziehungsweise verteuern die Abstellmöglichkeiten für Privatautos. Parallel dazu gilt es aber, das ÖV-Angebot weiter attraktiv zu halten. Ein reger Austausch und eine aktive Zusammenarbeit zwischen dem Verband öffentlicher Verkehr (VöV), dem Schweizerischen Städteverband und der Städtekonferenz Mobilität kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

  • Laurent Roux (l.) lebt mit seiner Familie in Luzern und ist seit 2021 CEO der Verkehrsbetriebe Luzern AG vbl.
  • Bernhard Adamek (l.) ist seit 2019 Vizedirektor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) und leitet dort die Abteilung ÖV.
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