Bevölkerungsentwicklung unter der Lupe: Fakten, Wirkung und Handlungsfelder für die Schweizer Städte
Sara Fuchs, Projektleiterin Raum- und Standortentwicklung, EBP
Christof Abegg, Teamleiter Raumanalyse und Raumpolitik EBP
Die Schweiz wächst – und sie wird urbaner. Das anhaltende und weiterhin erwartete – Wachstum bewegt Öffentlichkeit und Politik. Mit einer Studie wollte deshalb die Konferenz der städtischen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (KSFD) untersuchen, welche Faktoren dazu führen, dass die städtischen Gemeinden in der Schweiz unterschiedlich wachsen und welche Auswirkungen das Bevölkerungswachstum auf die städtischen Gemeinden hat. Die Erkenntnisse der Studie basieren auf Analysen zur räumlichen Entwicklung der Bevölkerung in der Schweiz und den Stadtfinanzen sowie einer Befragung bei den Städten des Schweizerischen Städteverbandes.
Grosszentren und ihre Agglomerationen mit hoher Standortattraktivität
Das Bevölkerungswachstum der städtischen Räume ist Ausdruck ihrer Attraktivität. Die starke wirtschaftliche Dynamik, vielfältige Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, ein gutes öffentliches Verkehrsangebot und die hohe Lebensqualität mit einem breiten Angebot an Kultur- und Freizeitangeboten ziehen Unternehmen und Haushalte gleichermassen an. Die Standortattraktivität führt dazu, dass die internationale Zuwanderung in allen Raumtypen weiter anhält. Die Wanderungsgewinne aus dem Ausland relativ zur Bevölkerungszahl sind dabei in den Zentren am ausgeprägtesten.
Wachstum hält jung
Die Städte, insbesondere die Grosszentren, weisen generell eine jüngere Bevölkerungsstruktur auf als die übrigen Räume. Ein starkes Bevölkerungswachstum geht meist mit einer Verjüngung bzw. einer reduzierten Alterung der Bevölkerung einher.
Die finanziellen Wirkungen des Wachstums bleiben meist unklar
Die Frage, ob das Wachstum «mehr kostet als es einbringt» kann nicht einfach und schon gar nicht allgemeingültig beantwortet werden. Zu komplex sind die Zusammenhänge, zu vielfältig weitere Einflussfaktoren. Insgesamt lässt sich dennoch sagen, dass sich die Finanzsituation der Städte aufgrund des Städtetyps (Zentrumsfunktion) und der Grössenklasse (Anzahl Einwohnerinnen und Einwohner) unterscheidet. Dem gegenüber hat das Bevölkerungswachstum über alle Städte hinweg einen untergeordneten Einfluss auf die Entwicklung der Finanzsituation der Städte. Erkennbar ist zudem ein Einfluss des Wachstums auf die Infrastrukturinvestitionen. Ersichtlich sind höhere Pro-Kopf-Investitionen insbesondere in den Bereichen Bildung, Freizeit/Sport, Gesundheit, Verkehr und Wohnen. In der laufenden Rechnung lassen sich bei einem stärkeren Wachstum in einzelnen Bereichen ansatzweise Skaleneffekte erkennen, etwa in der Verwaltung oder dem Verkehr.
Neben dem Bevölkerungswachstum beeinflusst auch die demografische Struktur die städtischen Finanzen. Am deutlichsten sichtbar wird dies im Bildungsbereich. Insbesondere die Investitionen in Schulbauten sind markant gestiegen. Kurzfristig hat demnach eine jüngere Bevölkerung auch ihren Preis. Längerfristig sind die Städte damit von den negativen Effekten des demografischen Wandels aber deutlich weniger stark betroffen.
Der Preis der hohen (Wohn-)Attraktivität
Auch wenn bei den befragten Städten die Chancen des Wachstums die Herausforderungen leicht überwiegen, beschäftigt doch ein Thema die Schweizer Städten aktuell sehr stark: Die Verfügbarkeit von (bezahlbarem) Wohnraum. Während das Wohnungsangebot in den Zentren schon seit längerem knapp ist, sind nun zunehmend auch Agglomerationsgemeinden sowie Mittel- und Kleinzentren betroffen.
Weiteres Wachstum in den urbanen Räumen ist erwartet und erwünscht – bleibt aber eine Herausforderung
Gemäss Prognosen des Bundes ist von einem anhaltenden, wenn auch abflachenden, Bevölkerungszuwachs auszugehen. Die Bevölkerung dürfte sich dabei zunehmend auf das Einzugsgebiet der grossen Agglomerationen Zürich und Genf konzentrieren. Die politischen Ziele einer flächensparenden, nachhaltigen und klimaneutralen Entwicklung lassen eine Konzentration des Bevölkerungswachstums in den urbanen Räumen sinnvoll erscheinen. Die durchgeführte Befragung legt nahe, dass die Städte mit diesem Wachstum umgehen können, auch wenn die Bewältigung vielerorts mit hohem Aufwand verbunden ist. Die grosse Herausforderung wird es bleiben, das Wachstum nicht nur aufzufangen, sondern – zusammen mit den übrigen Staatsebenen – mitzusteuern und zu gestalten.
Handlungsfelder für die Schweizer Städte
Die Studie skizziert fünf Handlungsfelder, mit denen Städte auf das Wachstum und dessen Folgen reagieren können. Dafür ist es notwendig, die Bevölkerungsentwicklung und ihre Einflussfaktoren sowie die Zusammenhänge Bevölkerungs-, Stadt- und Finanzentwicklung besser zu verstehen. Ein gezielteres und aktiveres Gestalten des Bevölkerungswachstums erfordert eine interdisziplinäre und querschnittsorientierte Betrachtung. Ausserdem muss die Stadtentwicklung über die Stadtgrenzen hinaus gedacht werden.