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Luzerns Vision vom künftigen Städtetourismus

18. August 2021 – Der Tourismus in Stadt-Destinationen hat unter der Corona-Pandemie besonders gelitten und überdurchschnittlich hohe Einbussen verzeichnet. Auch Luzern als weltweit beliebtes und bekanntes Reiseziel hatte und hat zu kämpfen. Tourismusdirektor Marcel Perren blickt im Interview dennoch zuversichtlich in die Zukunft.

Herr Perren, inwiefern waren und sind Städte überdurchschnittlich von der Pandemie betroffen?
Marcel Perren: Der Städtetourismus ist aufgrund des traditionell höheren Anteils an internationalen Gästen, dem Ausfall der wichtigen Kultur- und Sport-Events und dem Zusammenbruch des Geschäftstourismus weltweit sehr stark betroffen. Das haben auch wir in Luzern zu spüren bekommen. Auch wenn bei uns der Heimmarkt Schweiz die Nummer 1 ist – rund ein Viertel aller Übernachtungen stammen von Schweizerinnen und Schweizern – ist Luzern auch in den Fernmärkten Amerikas, Asiens und Ozeaniens beliebt und bekannt. Auf diese Gäste mussten wir aufgrund der Pandemie verzichten. Alle diese Faktoren zusammen haben bei uns teilweise zu Logiernächte-Rückgängen aus Fernmärkten von bis zu 90 Prozent im Vergleich zur Situation vor der Pandemie geführt.

 

Wie hat die Tourismusstadt Luzern die Covid-Krise erlebt?
Nach einem ausgezeichneten Jahr 2019 und einem starken Januar im Jahr 2020, in dem unter anderem durch das Lilu Lichtfestival Luzern viele Gäste und Einheimische in der Stadt unterwegs waren und einem ebenso erfreulichen Februar, folgte im März der erste Shutdown. Der Tourismus kam innert weniger Tage fast vollständig zum Erliegen, die Logiernächte brachen komplett ein. Die Querschnittsbranche des Tourismus war einer der sehr stark betroffenen Wirtschaftszweige. Bei unseren Partnerbetrieben war die Stimmung im Keller. Da man sich unverschuldet in dieser schwierigen Situation wiederfand, war vielerorts auch eine grosse Ohnmacht spürbar. Niemand konnte wirklich etwas gegen die Krise unternehmen. Viele Betriebe schlossen über mehrere Monate ihre Türen, etliche Mitarbeitende waren in Kurzarbeit, einige verloren gar ihren Job. Eine grosse Herausforderung war auch die nicht mehr vorhandene Planbarkeit. Niemand wusste, wie lange diese Situation anhält und ab wann und wie sich diese wieder normalisieren würde. Bisher kam die Stadt Luzern aufgrund ihres ausgewogenen Gästemix bei Krisen in bestimmten Herkunftsregionen jeweils mit einem blauen Auge davon, die Corona-Pandemie hat aufgrund der globalen Ausbreitung aber auch uns hart getroffen. Es stimmt schon nachdenklich, wenn Hotelbetriebe, die sogar während den beiden Weltkriegen offen blieben und auch sonst 365 Tage im Jahr Gäste willkommen hiessen, plötzlich über Wochen schliessen.

 

Jede Krise ist auch eine Chance. Ist da etwas dran?

Es ist schwierig, in einer globalen Krise, die viel Leid gebracht hat und noch nicht ausgestanden ist, etwas Positives zu sehen. Wie in jeder Krise gab es 2020 aber auch kleine Lichtblicke und es ist uns wichtig, dass wir diese Herausforderung gemeinsam durchstehen und uns für den Wiederaufschwung bestmöglich vorbereiten.

 

Welche Lichtblicke waren dies?
Innerhalb der Tourismusbranche gab es eine neue Solidarität, man ist gemeinsam für seine Interessen eingestanden. So haben sich die wichtigsten Branchenverbände zusammengeschlossen und unter anderem mehrere Tourismusgipfel mit dem Bundesrat organisiert und die Anliegen gebündelt vorgetragen. Innerhalb unserer komplexen Destination, die neben der Stadt Luzern die fünf Kantone Luzern, Schwyz, Uri, Obwalden und Nidwalden und unzählige Anbieter aus den Bereichen Unterkunft, Gastronomie, Transport, Ausflugsziele, Kultur, Events und Shopping umfasst, war die Betroffenheit sehr unterschiedlich und auch die Erwartungen nicht überall dieselben. Wir haben es aber geschafft, mit zusätzlichen Massnahmen unsere Partner bestmöglich zu unterstützen. Ebenfalls erfreulich ist, dass der Röstigraben offensichtlich überwunden werden konnte. In Luzerns Strassen und Gassen wurde viel Französisch gesprochen und in unseren Tourist-Informationen haben wir vermehrt Besucherinnen und Besucher aus der Romandie beraten dürfen. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend nachhaltig ist. So durften wir auch im letzten Winter und in diesem Sommer bereits wieder mehr Gäste aus der Westschweiz begrüssen als vor der Pandemie.

 

Welche Lehren ziehen Sie aus den vergangenen eineinhalb Jahren?

Die Krise hat uns erneut aufgezeigt, wie fragil der Tourismus sein kann. Aufgrund des globalen Ausmasses der Krise konnte auch unser breiter Gästemix, den wir in der Vergangenheit aufgebaut haben, einen Einbruch nicht verhindern. Dennoch waren wir froh, nicht von zwei bis drei spezifischen Quellmärkten abhängig zu sein. Die Pandemie hat vielen Menschen verdeutlicht, wie wichtig der Tourismus für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze und für die gesamte Wertschöpfungskette ist. Bleiben die Gäste aus, spüren dies nicht nur die Hotellerie und die Gastronomie, sondern auch Zuliefererbetriebe und Dienstleister wie Handwerker, Bäcker oder Taxifahrer. Steht der Tourismus still, haben auch sie weniger Aufträge und Einnahmen. Wir haben auch festgestellt, dass das Kommunikations- und Informationsbedürfnis der Partner in Krisenzeiten stark zunimmt.

 

Wie hat der Wiederbeginn im Sommer 2020 nach dem Shutdown in Luzern ausgesehen?
Trotz grosser Planungsunsicherheit war eine Aufbruchstimmung spürbar. Wir durften viele Schweizer Gäste in der Stadt Luzern und in der Region begrüssen. Als Tourismusorganisation haben wir viel dazugelernt – permanente Krisenkommunikation, Schutzkonzepte, intensive Medienarbeit, Kurzarbeit, Schliessung der Tourist Informationen, Onlinemeetings und vieles Mehr wurde zur Tagesordnung. Im Austausch mit unseren Partnern zeigte sich ein sehr ambivalentes Bild: Während insbesondere in den Bergregionen einige Betriebe gar einen Rekordsommer verzeichneten, blieb die Lage in der Stadt und bei international ausgerichteten Leistungspartnern angespannt bis miserabel. Vor allem Betriebe, die traditionell vor allem Gäste aus Übersee, Gruppen oder Geschäftsbereisende begrüssen, wurden hart getroffen.

 

Wie wird der Tourismus in Luzern nach Ende der Pandemie aussehen?
Wir müssen uns darauf einstellen, dass Corona nicht einfach verschwinden wird. Heute haben wir aber gelernt, damit zu leben. Es gibt Schutzmassnahmen, Impfungen und Zertifikate. Es ist klar, dass Luzern auch nach der akuten Pandemie-Phase Gäste aus aller Welt willkommen heissen möchte und wirtschaftlich wie auch gesellschaftlich vom Tourismus profitieren will. Die Stadt hat bekanntlich eine lange Tradition als Reiseziel. Der Trend hin zu kleineren Reisegruppen - insbesondere aus Asien - wird sich durch die Pandemie verstärken, Individualreisen werden weiter zunehmen. Dass die Leute reisen und neue Orte entdecken wollen, wird bleiben, aber die Form des Reisens dürfte sich verändern. Wir rechnen damit, dass Outdoor-Aktivitäten stärker gefragt sein werden. Auch hat die Nachhaltigkeit in allen ihren Dimensionen an Bedeutung gewonnen.

 

Welche Chancen zur Neupositionierung zeichnen sich für Luzern hierbei ab?

Wir arbeiten in Luzern derzeit an der «Vision Tourismus Luzern 2030», wobei der Lead bei der Stadt liegt. Die Vision wird in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit den unterschiedlichen Anspruchsgruppen erarbeitet. Zentral ist auch, dass die Bürgerinnen und Bürger aktiv mit einbezogen wurden, unter anderem durch eine repräsentative Bevölkerungsumfrage. In den letzten Jahren gab es an gewissen Hotspots in der Innenstadt vermehrt kritische Stimmen, welche über eine zu hohe Anzahl an Besuchern klagten oder Reisecars als störend empfinden. Diese gilt es anzuhören und ernst zu nehmen. Die Vision 2030 soll aufzeigen, wie sich der Tourismus und spezifisch auch der Carverkehr in Luzern entwickeln soll. Der Strategieprozess wurde einige Zeit vor Corona angestossen. Aktuell ist die Situation etwas paradox, da ein Zuviel an Gästen an gewissen neuralgischen Stellen aktuell nicht mehr existiert und das Ziel ist, den Tourismus wieder anzukurbeln. In den nächsten Monaten gilt es nun, den richtigen Weg einzuschlagen, um wieder zu einem funktionierenden, nachhaltigen und wirtschaftlich erfolgreichen Tourismus zu kommen, der Mehrwert für möglichst viele Anspruchsgruppen schafft und gesellschaftlich akzeptiert ist. Zumal unser Alleinstellungsmerkmal, nämlich die einzigartige Kombination aus Stadt-, See- und Bergerlebnis ja weiterhin Bestand hat. In Zukunft gilt es, diese Vielfalt noch stärker zu betonen. Luzern wird nicht zu Unrecht von vielen Gästen als «Schweiz en miniature» wahrgenommen und geschätzt.

 

Wie sieht denn nun die Vision des künftigen Städtetourismus aus?

Die Idee ist, dass die Stadt Luzern vermehrt als «Hub», als Ausgangspunkt für Ausflüge in die Gesamtregion Luzern-Vierwaldstättersee positioniert wird. So kann das Gästeaufkommen besser verteilt werden. Durch die Hub-Strategie und auch eine idealere Gästelenkung versprechen wir uns zudem eine längere durchschnittliche Aufenthaltsdauer und somit eine höhere Wertschöpfung für die gesamte Region Luzern-Vierwaldstättersee.

 

Marcel Perren ist seit 2007 Direktor der Luzern Tourismus AG an welcher unter anderem die Stadt Luzern als Aktionärin beteiligt ist. Die Stadt zählte 2019 – vor der Pandemie - rund 7.3 Mio. Tages- sowie 1.4 Mio. Übernachtungsgäste. Diese kamen zum grössten Teil aus der Schweiz, gefolgt von Gästen aus den USA, aus China und Deutschland. Der Tourismus generierte in der Stadt Luzern im Jahr 2019 gesamthaft eine jährliche Wertschöpfung von knapp CHF 722 Mio. Fast jeder achte Arbeitsplatz in der Stadt Luzern hängt vom Tourismus ab.

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