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Von der Kür zur Pflicht

15. Dezember 2021 – Heute ist für viele Verantwortliche im Einkauf der öffentlichen Verwaltung eine Ausschreibung eine mühsame Pflicht. Sie soll möglichst schlank und rasch über die Bühne gehen, muss aber juristisch korrekt sein. Nachhaltigkeitskriterien in eine Ausschreibung integrieren ist aber nicht mehr länger nur die Kür. Mit dem neuen Vergaberecht werden sie zur Pflicht.

Sonja Gehrig, Fachexpertin Nachhaltige Beschaffung & Kreislaufwirtschaft, Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich 

 

Kantone, Städte und Gemeinden müssen sich mit Ratifizierung der neuen interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) zur Nachhaltigkeit bekennen. Diese umfasst gemäss Art. 2a als Zweck den wirtschaftlichen und den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel. Neu gibt es eine rechtliche Grundlage für die Einforderung sozialer Nachhaltigkeit bei der Produktion im Ausland (Art. 12 Abs. 2), welche die Subunternehmer verpflichtet, Anforderungen zu Arbeitsschutzbestimmungen, Arbeitsbedingungen, Lohngleichheit und des Umweltrechts einzuhalten.  

Auftraggeber sind explizit aufgefordert, leistungsbezogene Zuschlagskriterien wie Lebenszykluskosten, Nachhaltigkeit und Innovationsgehalt zu prüfen (Art. 29), und sie können technische Spezifikationen zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen oder zum Schutz der Umwelt vorsehen.  Mit Inkrafttreten des neuen Vergaberechts werden Kriterien zur nachhaltigen Beschaffung von der Kür zur Pflicht. Grundsätzlich ändert sich für die Stadt Zürich mit dem neuen Vergaberecht nicht viel. Je nach Produktgruppe wurden bisher schon Lebenszykluskosten, z.B. bei Fahrzeugen oder  Leuchtmitteln, oder soziale Kriterien, z.B. bei Textilien, berücksichtigt.  

Neu ist die explizite gesetzliche Aufforderung, dies zu tun. Dieser Paradigmenwechsel gibt Schub zugunsten von mehr Nachhaltigkeit. Die Stadt Zürich strebt ein ambitioniertes Leistungsniveau an. Sie setzt dabei auf ein relevanzorientiertes Vorgehen: Der Fokus liegt auf Produktgruppen mit hohen Vergabevolumen und hoher Bedeutung bei der ökologischen oder sozialen Nachhaltigkeit (z.B. Gebäude, Lebensmittel, Textilien, Natursteine). Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat mit der Relevanzmatrix eine gute Grundlage geschaffen. 

Hilfsmittel zur Integration der Nachhaltigkeit  
Die Stadt Zürich hat für die Integration der Nachhaltigkeit in Ausschreibungen einige Hilfsmittel erstellt. Es handelt sich um Ökobilanzrechner, wie den Textilrechner, den Mobiliarrechner oder den Betonsortenrechner für Planer und Hersteller. Diese und weitere Ökobilanzrechner werden von den Anbietenden ausgefüllt (Überblick Umweltrechner). Immobilien Stadt Zürich bietet einen kompletten Mobiliarzyklus an: von der Beschaffung, Instandhaltung, Wiederverwendung bis zur Entsorgung. Die Inventarisierung oder die Trennbarkeit von Materialien sind wichtige Bestandteile. Besucher- und Bürodrehstühle werden nass gereinigt, neu bezogen oder repariert. In neuen Bürogebäuden der Stadt Zürich stehen aufbereitete Regale anstatt neue. Über 20 Jahre gerechnet, werden z.B. einem Schulhaus rund 5 bis 15 Prozent der Ökobilanz dem Mobiliar zugeschrieben.  

Nachhaltige Beschaffung ist ein steter Verbesserungsprozess und er ist wirksam. Manchmal braucht es Mut, wirkungsvolle Kriterien zu fordern. Dabei sollte nicht vergessen gehen: Unternehmen profitieren längerfristig davon, wenn sie sich am Markt bezüglich Nachhaltigkeit gut positionieren. Denn ökologische und soziale Nachhaltigkeit werden im In- und Ausland in Zukunft vermehrt gefordert. So können auch kleine Unternehmen ab 2023 als Lieferanten von grösseren Firmen unmittelbar vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffen sein. 
 

Tipps  
Suchen Sie den Austausch zwischen Städten und Gemeinden. Konsultieren Sie die Wissensplattform nachhaltige öffentliche Beschaffung WöB oder den Kompass Nachhaltigkeit. Ihr Beitrag zählt! Nachhaltig beschaffen ist ökologisch, sozial verantwortungsvoll und innovationsfördernd.  
 

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