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Der Städteverband verlangt Stärkung der Klimapolitik

25. Mai – Die Klimapolitik auf Bundesebene ist auch nach dem Nein zum revidierten CO2-Gesetz im Juni 2021 in Bewegung: Die Neuauflage des CO2-Gesetzes ist in Erarbeitung, die Gletscher-Initiative und deren beiden Gegenvorschläge werden im Parlament diskutiert. Tempo tut Not: Die Schweiz hat das Reduktionsziel für 2020 verpasst. Deshalb verlangt der Schweizerische Städteverband (SSV) ehrgeizige Ziele sowie griffige Massnahmen in allen Sektoren.

Véronique Bittner-Priez, Vize-Direktorin des Schweizerischen Städteverbandes

 

Die Städte sind von der Klimaerwärmung besonders betroffen. Aufgrund der weitgehenden Flächenversiegelung, der begrenzten Grünflächen und der eingeschränkten Windzirkulation sind dort die Folgen der zunehmenden Hitzewellen besonders ausgeprägt. Wegen der hohen Bevölkerungsdichte und den intensiven Wirtschaftsaktivitäten sind die Städte gegenüber Extremereignissen wie Starkregen oder Hochwasser zudem besonders empfindlich.

 

Die Städte nehmen ihre Verantwortung wahr: Sie haben ambitionierte Klimastrategien definiert und setzen zahlreiche Initiativen und Projekte zur Reduktion der CO2-Emissionen um. Die Städte brauchen aber einen geeigneten gesetzlichen Rahmen auf Bundesebene, der sie in ihren Bestrebungen unterstützt. Kommt hinzu, dass die Schweiz ihr eigenes Klimaziel nicht erreicht hat: Das im CO2-Gesetz festgeschriebene Ziel, die Treibhausemissionen um 20 Prozent bis ins Jahr 2020 gegenüber 1990 zu reduzieren, wurde verpasst. Dies geht aus dem Treibhausgasinventar 2020 des Bundesamts für Umwelt (BAFU) hervor.

 

Deshalb müssen rasch neue Wege für eine wirksame Klimapolitik gesucht werden. Im Zentrum der Diskussionen steht die Neuauflage des CO2-Gesetzes, die Gletscherinitiative sowie deren direkter und indirekter Gegenvorschlag.

  • CO2-Gesetz: Nach dem Nein durch die Stimmbevölkerung vom Juni 2021 hat das Parlament die im CO2-Gesetz verankerten Reduktionsziele sowie die unbestrittenen Massnahmen bis Ende 2024 verlängert. Da diese Verlängerung nur eine Übergangslösung darstellt, hat der Bundesrat eine neue Vorlage in die Vernehmlassung geschickt und erarbeitet zurzeit eine Botschaft.
  • Gletscherinitiative: Das Volksbegehren verlangt, dass die Treibhausemissionen bis 2050 «netto null» betragen. Dazu sollen u.a. fossile Brenn- und Treibstoffe verboten werden. Der Nationalrat lehnt die Gletscherinitiative ab.
  • Direkter Gegenvorschlag Gletscherinitiative: Das «Netto-Null»-Ziel soll wie von der Initiative vorgesehen in der Verfassung verankert werden. Von einem Verbot von fossilen Brenn- und Treibstoffen soll aber abgesehen werden. Der Nationalrat stimmte dem direkten Gegenvorschlag zu. Die Debatte im Ständerat ist noch ausstehend.
  • Indirekter Gegenvorschlag Gletscherinitiative: Parallel dazu schlägt die vorberatende Kommission des Nationalrates vor, das Ziel «netto null» Emissionen auf Gesetzesebene festzuschreiben. Der indirekte Gegenvorschlag kommt in der Sommersession 2022 in die grosse Kammer.

Der SSV hat in der Vernehmlassungsantwort zum neuen CO2-Gesetz 2022 seine Position kundgetan. Aus seiner Sicht sind eine Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 und eine Reduktion auf Netto-Null bis 2050 unerlässlich. Diese beiden Ziele müssen mindestens auf Gesetzesebene verankert werden. Die Emissionen sind in erster Linie im Inland zu senken. Um eine Verlagerung der Emissionen ins Ausland zu vermeiden, soll auch ein Ziel zur Reduktion der indirekten Emissionen der Schweiz gesetzlich festgelegt werden.

 

Ausstoss von fossilen Brenn- und Treibstoffen muss möglichst eliminiert werden

Der SSV ist überzeugt, dass das Netto-Null-Ziel nur erreicht werden kann, wenn der Energiebereich vollständig dekarbonisiert wird, d.h. fossile Brenn- und Treibstoffe sollen so weit als möglich eliminiert werden. Dies muss jedoch nicht zwingend mit einem Verbot geschehen, wie es die Gletscher-Initiative verlangt. In den Bereichen, in denen Treibhausgasemissionen nur schwer vermeidbar sind (z.B. Verbrennung fossiler Kehrichtanteile, Zementproduktion und Landwirtschaft), sollen die Abscheidung und Speicherung von CO2-Emissionen (Carbon Capture and Storage, CCS) und Negativemissionstechnologien (NET) zur Anwendung kommen.

 

Solch ambitionierte Ziele erfordern weitgehende Massnahmen, unter anderem in den Bereichen Gebäude und Verkehr, und damit erhebliche Investitionen. Um die notwendigen Massnahmen und Investitionen auszulösen, sind entsprechende Fördermittel notwendig. Aus diesem Grund unterstützt der SSV eine Erhöhung der Teilzweckbindung der CO2-Abgabe, wie es der Bundesrat in der Neuauflage des CO2-Gesetzes vorsieht. Einige Städte schlagen zudem vor, den Maximalsatz der CO2-Abgabe zu erhöhen. Dies würde nicht nur die Finanzierung zusätzlicher Massnahmen ermöglichen, sondern auch die Lenkungswirkung der Abgabe stärken.

 

Mehr Anreize für erneuerbare Heizungen

Im Sektor Gebäude spricht sich der SSV für die Schaffung starker Anreize für Hausbesitzende, fossile Heizungen durch erneuerbare Lösungen zu ersetzen, aus. Der Ersatz soll finanziell unterstützt und konsequent reguliert werden, ähnlich den Energiegesetzen der Kantone Basel-Stadt und Zürich. Der Einbau von fossilen Heizungen soll bewilligungspflichtig sein und nur in gut begründeten Ausnahmefällen bewilligt werden können. Zusätzlich müssen auch Massnahmen zur energetischen Gebäudesanierung, wie z.B. die Dämmung der Hülle, mit Beratungsangeboten und Fördermitteln unterstützt werden. Je besser ein Haus wärmegedämmt ist, desto tiefer ist der Verbrauch an Brennstoff für das Heizen.

 

Finanzielle Unterstützung für thermische Netze

Für den SSV spielt darüber hinaus der Ausbau der thermischen Netze eine wichtige Rolle. Da deren Bau mit hohen Anfangsinvestitionen verbunden ist, fordert der SSV die Festlegung von geeigneten finanziellen Fördermassnahmen. Auch müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen (Konzessionsrecht, Vergabe- und Wettbewerbsrecht) vereinfacht und wirksame Energieplanungsinstrumente umgesetzt werden. Um Investitionen noch sicherer zu machen, wünschen einige Städte die Möglichkeit einer Anschlusspflicht an erneuerbare Fernwärmenetze, die nicht nur für Neubauten, sondern auch im Bestand gelten sollte.

 

E-Mobilität ja, aber mit Mass

Im Bereich Verkehr sollen gemäss dem SSV nur noch Fahrzeuge mit tiefen CO2-Emissionen auf den Markt kommen. Dafür müssen für alle Fahrzeugkategorien, d.h. für Personenwagen, Lieferwagen und leichte Sattelschlepper, aber auch für schwere Nutzfahrzeuge, ehrgeizige Grenzwerte festgelegt werden. Weiter unterstützt der SSV die Förderung von erneuerbaren Antrieben im öffentlichen Verkehr. Falls die Befreiung des öffentlichen Verkehrs von der Mineralölsteuer wegfallen sollte, müssten die dadurch entstehenden Mehreinnahmen nach dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz zur Finanzierung der Elektrifizierung der Flotte verwendet werden.

 

Grundsätzlich plädiert der SSV für Massnahmen zur Vermeidung von Verkehr und zur Verlagerung auf klimafreundlichere Verkehrsträger – Fussverkehr, Veloverkehr und öffentlicher Verkehr – vorgesehen werden. Dies ist erforderlich, da auch batterieelektrische Personenwagen beträchtliche Umwelteinwirkungen haben. Die Förderung des Infrastrukturausbaus für solche umweltschonende Mobilität sollte breit mit entsprechenden Rahmenbedingungen und Förderprogrammen unterstützt werden.

 

Schliesslich stellt der SSV fest, dass der Klimaschutz bei den Sach- und Richtplanungen des Bundes und der Kantone noch zu wenig berücksichtigt ist. Dafür gibt es keine, nur punktuelle oder sehr allgemeine rechtliche Vorgaben. Darum soll abgeklärt werden, ob im Raumplanungsgesetz neue Bestimmungen zur Berücksichtigung der Klimathematik aufgenommen werden sollen.

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