OECD-Steuerreform: Auslegeordnung und Rahmenbedingungen
Die fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung verändern die Wirtschaft. Das Steuerrecht kann mit der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle oft nicht schritthalten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) arbeitet deshalb bereits seit mehreren Jahren an einer Anpassung der Prinzipien für die Besteuerung multinationaler Unternehmen. Heute bezahlt ein internationales Unternehmen dort Steuern, wo es seinen Sitz hat, nicht aber in all den Ländern, in deren Märkten es sich bewegt. Die neue Regelung sieht einerseits vor, dass die Aufteilung der Gewinnsteuer zwischen Sitz- und Marktstaaten zugunsten Letzteren geändert wird. Andererseits soll mit der Einführung einer globalen Mindestbesteuerung die angemessene Besteuerung von Gewinnen sichergestellt werden.
Zwei Säulen-Modell der OECD
Die anvisierte Steuerreform betrifft nicht nur – wie ursprünglich vorgesehen – grosse internationale Digitalfirmen, sondern die gesamte, internationale Wirtschaft, die zunehmend digitalisiert ist. Die Reform ist in zwei Säulen unterteilt:
- Säule 1: Verschiebung von Besteuerungsrechten in Marktstaaten. Unternehmen mit über 20 Milliarden Euro Jahresumsatz und über 10 Prozent Gewinnmarge müssen einen Teil ihres Gewinns (25 Prozent) im Marktgebiet versteuern. Nach sieben Jahren sinkt der Schwellenwert auf 10 Milliarden Euro Umsatz. Bei der Säule 1 werden gemäss Bundesrat voraussichtlich eine einstellige Zahl von Schweizer Unternehmen betroffen sein.
- Säule 2: Einführung einer globalen Mindestbesteuerung. Ein Satz von 15 Prozent soll für international tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro gelten. Von Säule 2 dürften gemäss Bundesrat ca. 200 Schweizer Firmen sowie ca. 2’000 Schweizer Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne betroffen sein.
Gemäss OECD sollen die beiden Säulen grundsätzlich ab 2023 schrittweise in Kraft treten. Die Arbeiten zur Konkretisierung der Säule 2 sind jedoch bereits weiter fortgeschritten als diejenigen zur Säule 1. Bei der Umsetzung der Säule 1 muss eine multilaterale Konvention ausgearbeitet werden, weshalb es hier gemäss Bundesrat zu Verzögerungen kommen wird. Im Dezember 2021 hat die OECD hingegen Musterregeln zur Säule 2 veröffentlicht.
Strategische Zielsetzungen des Bundesrates
Der Bundesrat hat sich der OECD-Steuerreform grundsätzlich angeschlossen. Er verlangt aber, dass die Interessen kleiner, wirtschaftsstarker Länder – wie die Schweiz – berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Säule 2 hat er beschlossen, in einem ersten Schritt die Mindeststeuer mit einer Verfassungsänderung umzusetzen. Basierend darauf soll eine temporäre Verordnung sicherstellen, dass die Mindeststeuer auf den 1. Januar 2024 in Kraft treten kann. Das Gesetz soll im Nachgang auf dem ordentlichen Weg erlassen werden.
Bei der Umsetzung der OECD-Steuerreform in der Schweiz orientiert sich der Bundesrat an den strategischen Zielsetzungen der Standortattraktivität, der internationalen Akzeptanz sowie der fiskalischen Ergiebigkeit. Zudem hat der Bundesrat im Januar 2022 folgende Eckwerte verabschiedet:
- Bei international tätigen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro soll die Mindeststeuer in der Schweiz sichergestellt werden.
- Die Kantone erheben die zusätzlichen Steuern. Die Mehreinnahmen fliessen ihnen zu.
- Die zusätzlichen Steuereinnahmen unterliegen den allgemeinen Regeln des Nationalen Finanzausgleichs.
Da die betroffenen Firmen zukünftig eine höhere Steuerbelastung tragen werden, lädt der Bundesrat die Kantone ein, die Mehreinnahmen für die Finanzierung von Standortmassnahmen einzusetzen. Dadurch soll dem drohenden Verlust an Standortattraktivität entgegengewirkt werden.
Städteverband fordert Auslegeordnung und Beteiligung an den Mehreinnahmen
Der Schweizerische Städteverband (SSV) erachtet es als zentral, dass die drei strategischen Zielsetzungen des Bundesrates – Standortattraktivität, internationale Akzeptanz und fiskalische Ergiebigkeit – gleichwertig berücksichtigt werden. Deshalb soll eine Auslegeordnung vorgenommen werden, welche eine detaillierte Übersicht über die betroffenen Kantone und Unternehmen schafft, sowie Szenarien über die zukünftige Steuerentwicklung in den Kantonen entwickelt. Aktuell stehen zudem verschiedene Steuerreformen auf Bundesebene (u.a. Verrechnungssteuer, Wohneigentumsbesteuerung) an, welche ebenfalls in der Auslegeordnung mitberücksichtigt werden sollten.
Ziel der Reform muss es sein, die Ergiebigkeit der Steuereinnahmen von Bund, Kantonen. Städten und Gemeinden sicherzustellen und gleichzeitig den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im Rahmen der international akzeptierten Standards zu gewährleisten. Eine von Deloitte im November 2021 veröffentlichte Umfrage bei Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zeigt, dass die Schweiz im internationalen Vergleich bezüglich Standortattraktivität sehr gut abschneidet. Gemäss den befragten Firmen sollte die Schweiz ihre Standortattraktivität besonders in den Bereichen Beziehung zur EU, Zugriff auf internationale Talente sowie Förderung von Forschung und Entwicklung verbessern. Vor diesem Hintergrund erachtet der SSV eine fundierte Auslegeordnung, welche eine gesamtheitliche Betrachtung der verschiedenen Faktoren zur Verbesserung der Standortattraktivität ermöglicht, als eine wesentliche Grundlage für einen breit abgestützten Entscheidungsfindungsprozess auf politischer Ebene.
Zum heutigen Zeitpunkt ist noch nicht im Detail bekannt, wie die Bemessungsgrundlage der OECD zur Mindestbesteuerung zukünftig festgelegt wird. Es ist aber bereits heute klar, dass sich die neue OECD-Mindeststeuer von 15% nicht mit einer Steuerbelastung von 15% gemäss Schweizer Steuerrecht vergleichen lässt. Mit der zusätzlichen Besteuerung von grossen, international tätigen Unternehmen wird ausserdem eine unterschiedliche Gewinnbesteuerung auf kantonaler Ebene eingeführt. Die Kantone können zudem selbständig Massnahmen zur Verbesserung der Standortattraktivität einführen. Der SSV befürchtet, dass eine zu unterschiedliche kantonale Umsetzung zu einem komplizierten und nicht mehr nachvollziehbaren Steuersystem führen könnte. Aus Sicht der Städte ist daher ein nationaler Rahmen mit gewissen Vorgaben von Seiten des Bundes erstrebenswert.
Schliesslich erwartet der SSV, dass Gemeinden und Städte an allfälligen Mehreinnahmen der Kantone durch die nationale Umsetzung der OECD-Steuerreform beteiligt werden, so wie das mit der Gemeindeklausel auch bei der STAF beschlossen wurde. Nicht nur kennen die Städte die Bedürfnisse ihrer Unternehmen, sie sind auch wichtige Akteure der Standortförderung. Beispielweise fördern sie aktiv den Aufbau guter Verkehrsinfrastrukturen, familienergänzender Betreuungseinrichtungen sowie nachhaltiger Quartiere.
Beispiel Umsetzung STAF: Im Rahmen der erst vor kurzem in Kraft getretenen nationalen Steuerreform (STAF) haben die kantonalen Steuersenkungen und die Anwendung der Steuerinstrumente zu einer Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Steuereinnahmen in den Städten und Gemeinden geführt. Aus Sicht des SSV ist es deshalb zentral, dass die Auswirkungen der STAF-Umsetzung in den Kantonen untersucht werden. Eine Überprüfung der Auswirkungen der STAF kann wertvolle Hinweise liefern, inwieweit die Reformziele erreicht worden sind. Sie ist zudem als vertrauensbildende Massnahme für das Gelingen zukünftiger Steuerreformen zentral. Im Hinblick auf die bevorstehende OECD-Steuerreform ist eine Wirkungsevaluation der steuerlichen Sonderregelungen notwendig, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu erhalten. Gemäss dem vom Nationalrat in der Wintersession 2021 angenommenen Postulat 21.4079 «Wirkungsüberprüfung der Steuerreform STAF» muss der Bundesrat rasch eine solche Analyse durchführen. |